Zwei Seiten
Ein Liebesbrief von Inyara
Marina, oh Sonne meines Lebens!
Nie werde ich den Moment vergessen, in dem mein Blick dich das erste Mal traf. Ich weiß noch genau, wie die Sonne Reflexe zauberte auf deinem Haar, wie deine Augen strahlten, wie deine Hände gestikulierend durch die Luft fuhren, während du telefoniertest.
In diesem ersten Moment, da wusste ich, du warst die Frau, die ich für immer lieben würde. Du warst die Frau, die ich an meiner Seite haben wollte.
Ich habe dir Briefe geschrieben, seitenlang, immer wieder. Doch du wolltest mich nicht erhören. Hast dich gesperrt gegen das Unausweichliche, das das Schicksal für uns vorbereitet hatte. Wolltest nicht sehen. Hast dich gewehrt, mich angeschrien, mir mit Polizei gedroht. Mich angezeigt.
Bist sogar umgezogen, um mir zu entgehen.
Hast dich geziert, wie es sich gehört für ein anständiges Mädchen. Ich habe es verstanden. Du musstest das tun. Konntest doch nicht einfach „Ja“ sagen, nicht wahr? Kanntest mich doch gar nicht. Recht hast du getan.
Doch ich, ich wusste einfach, all das war nur gespielt. Du wolltest es doch auch. Ich bin deiner Spur gefolgt, habe dich wiedergefunden. Egal, wohin du gelaufen bist. Ich habe nie aufgegeben.
Und dann, vor anderthalb Jahren, da war er schließlich da, dieser Tag. Der Tag, auf den ich so lange warten musste, für den ich so hart gekämpft habe. Der Tag, an dem du endlich bei mir eingezogen bist. Mein Werben erhört hast. Dich mir hingabst. Da war ich der glücklichste Mann auf Erden. Natürlich hast du geweint und geschrien, um Erlösung gebettelt. Auch das musstest du tun.Konntest doch nicht einfach so „Ja“ sagen. Nach all der Zeit. Doch ich habe gespürt, tief in deinem Innersten, da wolltest du es doch so. Wolltest, das sich mich um dich kümmere. Wolltest in meiner Nähe sein, von mir berührt werden. Ich liebe dich doch.
Anderthalb Jahre hast du bei mir gewohnt. Es waren wohl die schönsten meines Lebens. Immer wieder hast du gefleht, gebettelt. Dass ich dich rauslasse. Das konnte ich natürlich nicht. Ich wusste doch, das war nur gespielt. Teil des Spiels. Teil unseres Spiels. Du hast oft geweint. Du wusstest doch, dass mich deine Tränen verletzt haben. Du wusstest doch, dass ich es lieber mochte, wenn du lächeltest. Selten nur hast du mir dieses Geschenk gemacht. Nur unter Schmerzen. Warum? Es hätte alles so schön sein können.
Und jetzt das. Warum hast du das getan? Was hast du dir nur dabei gedacht? Das muss doch weh getan haben. Ich wollte nie, dass du Schmerzen hast. Ich wollte doch, dass du glücklich bist. Ich habe dich doch geliebt.
Durch die Gitterstäbe vor meinem Fenster sehe ich ein Stück Himmel. Blau sieht er aus. So, als würde die Sonne scheinen. Die kann ich aber nicht sehen. Doch es ist mir egal. Denn ich weiß, dich, Sonne meines Lebens, dich werde ich nie mehr sehen. Denn du hast dich entschieden. Hast dich entschieden für eine Flucht, auf der ich dir nicht mehr folgen kann. Egal, was ich versuche.
Ich habe dich verloren. Bin verloren. Dieses Mal für immer. Allein. Dabei habe ich dich doch geliebt.
Dein Erwin
Anna
Ich hatte einen Stalker.
Und dieser Brief macht mich glücklich, weil er so viel beinhaltet was ich nicht wiedergeben konnte.
Die zuckersüßen Worte in Textnachrichten, Briefen und Anrufen…
Bei mir gab es keine toten Ratten im Briefkasten, sondern ein Übermaß an Liebesbriefen, Blumen, „netten“ Geschenken.
Sein Auto tauchte überall auf.
„Er behandelte mich wie eine Göttin“ – Dieser Satz beinhaltet abstoßende Szenen, in denen er sich vor mir erniedrigt und in fanatischem Beten und Anflehen nicht hört was ich sage.
Wie viel Schmerz muss ein Mensch in sich haben, um zu glauben einen Menschen vergöttlichen zu müssen?
Danke für dieses Werk es hat mich berührt. Nicht alles was ich denke schreibe ich hier nieder. Es ist viel und ich bin ganz erfreut über die Vielschichtigkeit.
Werde mir jetzt Zeit lassen, damit der Text nachklingt